Wir haben uns im letzten Blog-Beitrag bereits mit dem spannenden Thema der Zeit auseinandergesetzt. Oder vielmehr mit unserer Zivilisationskrankheit der fehlenden Zeit. Es geht also weniger um die Zeit „an sich“, sondern darum, wie wir die Zeit wahrnehmen. Vielleicht ist es ein tröstlicher Gedanke, dass das für uns heutzutage so selbstverständlich durchgetaktete Leben eine moderne Erfindung ist, die die Industrialisierung und ihre Stechuhren mit sich gebracht haben. Davor haben wir uns über Jahrtausende hinweg an Sonne und Mond, an hell und dunkel im Rhythmus von Tag und Nacht orientiert.
Doch was hilft uns wirklich weiter? Wie können wir die Zeit wieder „elastisch“ machen, so dass wir in einer Minute das Gefühl haben, die Zeit stehe still? Damit meine ich nicht die schier endlos schleichenden Minuten bei einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Sondern ich meine das Sich-Aufgehoben-Fühlen in Zeit und Raum.
Das geht, und zwar mit der Basisminute. Wie in anderen Atemübungen und in der Meditation bewegen uns in einen Raum hinein, in dem die Parameter von Zeit und Raum durchlässiger werden und manchmal sogar überwunden werden, im Sinne von trans-zendiert. Eine scheinbar unverrückbare Grenze öffnet sich. Das erlebe ich persönlich als unendlich befreiend. Wenn Momos „graue Herren“ das gewusst hätten! Das dazu etwas Übung gehört, ist klar. Und gleichzeitig ist es sehr einfach. Wie alles Wesentliche.
Nehmen Sie sich jeden Tag vor, sich eine Minute rauszunehmen aus dem Hamsterrad. Vereinbaren Sie dazu eine feste Uhrzeit, z. B. um 8 Uhr morgens. Oder verknüpfen Sie Ihre Basis-Minuten-Übung mit einer rituellen Handlung, die sie jeden Tag ausführen. Zum Beispiel: nach dem Zähneputzen, solange das Teewasser warm wird, nach dem ersten Schluck Kaffee, bevor Sie mit dem Auto losfahren oder aus der Haustüre gehen….Haben Sie Ihren Zeitpunkt mit sich selbst vereinbart?
Gut, dann veranstalten wir jetzt eine Generalprobe.
1) Halten Sie Ihr Handy oder einen Wecker parat, den man auf 1 Minute einstellen kann. Wenn Sie kein Gerät zur Hand haben, nehmen Sie sich vor, 12 tiefe und langsame Atemzüge zu machen. Wählen Sie den Ort und Moment so, dass niemand sie stört oder Sie sich von niemand stören lassen. Sie sind jetzt einfach eine Minute lang nicht ansprechbar. Vereinbaren Sie das gegebenenfalls mit Ihrer Umwelt (Partner, Kinder, Kollegen, Telefon). Das WC ist immer eine Option für einen Mini-Rückzugsraum.
2) Setzen Sie sich bequem hin oder stehen Sie aufrecht und mit gutem Bodenkontakt.
3) Machen Sie sich klar, dass Sie in dieser Minute nichts anderes tun werden als da sein und den Atem fließen zu lassen.
4) Starten Sie den Timer und lassen Sie die Atmung fließen. Schließen Sie die Augen.
5) Öffnen Sie beim Tonsignal wieder die Augen und hören Sie kurz in sich hinein. Wie geht es Ihnen jetzt?
Gell, so eine Minute kann ganz schön lang sein. Und dabei waren Sie nicht einmal beim Zahnarzt. Das heißt: auf einmal haben Sie…Zeit! Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen beim Schaffen Ihrer Zeit-Oasen und bin gespannt auf Ihre Rückmeldungen.
PS1: Falls Sie nach der Basis-Minuten-Übung „süchtig“ werden, können Sie die Frequenz gerne steigern. 5 Mal pro Tag ist ideal. Es wird Ihr Leben verändern.
PS2: Vielleicht möchten Sie zu diesem Thema das Buch „Momo“ von Michael Ende in die Hand nehmen. Um Sie darauf neugierig zu machen, können Sie hier einen kleinen Ausschnitt lesen. Es geht um ein Geheimnis, das Beppo der Straßenkehrer seiner Freundin Momo ans Herz legt. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten!