Ja, Sie haben richtig gehört: „wir müssen nicht mehr müssen“. Was für viele von uns immer funktioniert hat und auch die Grundlage unseres (noch) aktuellen Lebensmodells ist, wird jetzt in Frage gestellt. Für junge Menschen ist das ganz klar. „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ ist nicht mehr an der Reihe. Und wenn sie schon ein Haus bauen, dann sind es winzige, die sogennanten „tiny houses“, wo das komplette Leben auf 18m2 stattfindet. Verstehen Sie mich nicht falsch. Mir geht es nicht darum, von einem Extrem ins andere zu wandern. Sondern eine Balance zu finden, die Sie ins Lot bringt. Und damit auch Ihre Stimme beziehungsweise Ihre Sprechstimmlage. Das heißt im Klartext: wie beim Gitarre stimmen braucht Ihre Stimme genau das richtig Maß an Spannung.
Sie werden sich fragen: Was ist die Sprechstimmlage überhaupt? Die Sprechstimmlage ist der Frequenz- oder Tonhöhenbereich, auf dem sich Ihre Stimme beim Sprechen einpendelt. Das macht sie ganz automatisch.
FALL 1: Wenn Sie nun unter Stress stehen, dann steigt Ihre innere Spannung und damit rutscht auch dieser Frequenzbereich nach oben. Die Stimme wird metallischer, quietschender und durchdringender. Das kann angebracht sein, wenn es darum geht, jemanden vor einer Gefahr zu warnen oder ein Kernanliegen kurz (wirklich nur kurz!!) hervorzuheben. Wenn Sie aber dauerhaft in diesem angespannten Modus bleiben, passieren zwei Dinge:
1) Sie werden beim Sprechen immer angestrengter und nervöser, weil Sie ohne vorheriges Training aus diesem Alarmmodus nicht mehr herausfinden.
2) Unsere Zuhörer, falls sie sich nicht schon diskret verdünnisiert haben, haben auf Durchzug geschaltet, um sich vor dieser akustischen Agression zu schützen.
FALL 2: Umgekehrt kann es passieren, dass Sie so wenig Körperspannung haben, dass Ihre Stimme leiser wird und an Deutlichkeit verliert und in Bereiche sinkt, die ideal für eine Tiefenentspannung wären. Wer von uns erinnert sich nicht an einen Dozenten, ob in der Schule, Uni oder bei einem Vortrag, der die geballte Wirkung von 10 Schlaftabletten hatte? Welches sind hier die Auswirkungen?
1) Sie werden durch die hypnotisierende Wirkung des eigenen Sprechens noch monotoner und langsamer.
2) Die Zuhörer befinden sich nach kurzer Zeit im Langweile-Modus, d.h. das Handy wird aktiviert, oder wenn dieses nicht zur Hand ist besinnen sie sich auf traditionelle Methoden wie „ähms“ zählen oder Schiffe versenken.
In beiden Fälle ist das Endergebnis: es findet keine Kommunikation mehr statt. Wie schade! Welche Energieverschwendung!!
Was ist also zu tun? Um Ihre Wohlspannung in der Sprechstimmlage zu finden, probieren Sie folgendes aus: wenn Sie das nächste Mal mit einer Freundin telefonieren oder jemandem für längere Zeit wohlwollend (!!!) zuhören, achten Sie auf die „mhhs“, „ja“, „ach so“, „ok“, die Sie äußern, um dem Sprechenden zu signalisieren, dass sie ihm folgen. Diese kurzen Einwürfe befinden sich in aller Regel in der Sprechstimmlage, die Ihnen gut tut. Sie sind entspannt und zugewandt und müssen in dem Moment nichts leisten. Dabei kann sich Ihre Stimme in ihren persönlichen Wohlfühlbereich einpendeln.
In einem zweiten Schritt holen Sie sich diese Wohlfühl-Sprechstimmlage immer wieder ins Gedächtnis zurück, wenn Sie merken, dass Sie nach oben (das wird der häufigste Fall sein) oder nach unten abdriften.
Falls Sie der Gruppe der ewig Aktiven angehören (Fall 1), können Sie eine nachhaltige Einstellung Ihrer Sprechstimmlage im Optimalbereich erreichen, indem Sie Druck aus Ihrem Leben nehmen. Niemand formuliert das besser als Matthieu Ricard, nachweislich einer der glücklichsten Menschen unserer Zeit:
„Unsere Tätigkeiten vereinfachen heißt nicht, in Trägheit zu verfallen. Sondern es dient ganz im Gegenteil dazu, sich vom subtilsten Aspekt der Faulheit zu trennen, jenem, der uns dazu verleitet, uns in tausend zweitrangigen Aktivitäten zu verlieren.“
Darum – wie Sie beim Sprechen auf den Punkt kommen und sich dem Wesentlichen widmen – geht es in meinem nächsten Blog-Beitrag. Bis dahin gutes Gelingen beim Los- und Zulassen!