2022-05-28 Pixabay sheep- analogicus

Ach du lieber Schlaf – was steckt hinter Atemübungen wie 4-7-8 bei Schlafstörungen

Wenn Schäfchen zählen nicht mehr hilft und man wach liegt, dann kommt man auf alle möglichen Gedanken, um den Schlaf wieder herbeizulocken. Von warme Milch trinken bis Baldriantropfen einnehmen hat jeder seine persönlich erprobten Strategien. Moderne Zeitgenossen tun das, was fast immer „hilft.“ Man nehme das Handy zur Hand und gebe ein: „was tun bei Schlafstörungen?“ Und schon hat Dr. Google eine Auswahl von heißen Tipps parat. Einer von ihnen heißt: Im Rhythmus 4-7-8 atmen. Dann ist die Welt wieder in Ordnung. Im Klartext heißt das: auf 4 „Takt-/Herzschläge“ einatmen, 7 Schläge lang die Luft anhalten und auf 8 Schläge ausatmen.

Das ist rein theoretisch super und kann funktionieren. Muss es aber nicht, wie mir zahlreiche Rückfragen von Patienten, Kunden und Freunden zeigen. Denn jedes menschliche Wesen ist einzigartig und verfügt über eine  individuelle und tagesformabhänige Atemkapazität. „Null acht fuffzehn“-Lösungen wie 4-7-8 richten daher manchmal mehr Schaden an als Nutzen. Daher erkläre ich Ihnen, was hinter der magischen Formel steckt, so dass Sie diese für sich sinnvoll anpassen können.

Grundregel ist: wenn wir die Einatmung verlängern, führen wir uns mehr Energie zu.  Es ist logisch: was wir in uns aufnehmen, ob es nun Luft sei oder Lebensmittel, nährt uns. Wenn wir die Ausatmung verlängern, kommen wir mehr in die Ruhe und ins Loslassen. Prinzipiell ist es daher sinnvoll, zum Beispiel über ein leichtes Geräusch wie „f“ oder „sch“ die Ausatmung zu verlängern, wenn Sie sich entspannen möchten. Die Atempause nach der Einatmung dient dazu, über den Atemrhythmus Ihr persönliches Gedankenkarussel anzuhalten. Dadurch, dass Ihr Organismus in der Atempause Sauerstoff „fastet“, wird er diesen in der darauffolgenden Einatmung um so besser aufnehmen können. Das hat eine reinigende, regenerative Wirkung. So einfach ist das.

Wenn wir nun zur praktischen Anwendung dieses Prinzips: kürzere Einatmung -Atempause-längere Ausatmung kommen, empfehle ich Ihnen Folgendes:

1) Stellen Sie fest, wie Ihr aktueller persönlicher Atemrhythmus (Verhältnis Einatmung/Ausatmung, beides durch die Nase) in Ruhe ausieht. Vielleicht liegt er bei 2-3 oder 4-6 oder auch 3-3. In den wenigsten Fällen würden Sie spontan auf 8 ausatmen. Das heißt, dass die Zahlenkombi von Dr. Google meist nicht dem entspricht, was für Sie gut ist.

2) Beginnen Sie nun, die Ausatmung sanft zu verlängern, indem Sie Geräusche wie „f“, „sch“ oder „s“ zu Hilfe nehmen. Die Einatmung geschieht weiterhin durch die Nase. Zählen Sie innerlich Ihren Rhythmus  bei der Einatmung und der Ausatmung mit. Kein falscher Ehrgeiz…weniger ist mehr! Wenn sich die Ausatmung deutlich verlängert hat (es muss nicht gleich der doppelte Wert der Einatmung sein, aber 2-3 Taktschläge mehr als diese), probieren Sie, durch die Nase ein- und auszuatmen und diesen Rhythmus beizubehalten.

3) Erst wenn Punkt 2 mühelos „passiert“ (denn Sie lassen die Atmung fließen und machen nichts selbst à la Staubsauger) bauen Sie einfühlsam eine kleine Atempause nach der Einatmung ein. Zunächst 1-2 Sekunden. Und so kommen Sie langsam, sicher und wirkungsvoll zu „Ihrer“ Version der 4-7-8-Atmung. Probieren Sie es aus und hören Sie auf Ihren Körper. Er weiß, was Sie brauchen.

Auf diese Art und Weise üben Sie tatsächlich Pranayama, eine der acht Säulen des Yoga. Pranayama meint die Kunst, die eigene Lebensenergie bewusst so zu lenken, dass sie frei und harmonisch fließen kann. Aus diesem Jahrtausende altem Wissen stammt auch die oben erwähnte Formel. Aus einer Zeit vor youtube, wo man den Menschen tatsächlich zutraute, dass sie fähig seien, Übungen eigenständig durchzuführen. Manchmal wochen- und monatelang, ohne das der Meister die geringste Notiz davon nahm. Ohne kontinuierlich angeleitet, motiviert und gelikt zu werden. Ohne sich irgendwelche kollektiven Challenges auferlegen zu müssen, um etwas zu erreichen. Ohne etwas „Besonderes“ zu brauchen, um sich besonders zu fühlen.

Genau so traue ich Ihnen zu, dass Sie Eigenverantwortung für Ihr Wohlbefinden übernehmen. Zum Beispiel, indem Sie diese Übung vor dem Schlafengehen systematisch ausprobieren. Vielleicht hift Ihnen dabei dieser Gedanke: das erfrischte morgendliche Aufstehen (ja, das gibt es! – auch ich arbeite daran) beginnt mit dem entspannten Schlafengehen. Schlafen und Ruhe ist rein chronologisch die Voraussetzung für Energie und Inspiration in unserer Wachphase. Deshalb ist Schlaf – wie viel davon Sie persönlich auch immer davon benötigen – keine „Zeitverschwendung“, sondern die kostbarste Lebenszeit überhaupt. Denn im Schlaf, vorzugsweise im Tiefschlaf, docken wir an unsere Lebensquelle an, an die Energie, die uns lebendig macht und die unseren Körper verlässt, wenn wir sterben. Im Kontakt mit dieser Lebensenergie fügen sich Puzzle-Teile unsres Lebens zusammen und wir erfahren in unserem Innersten und meist Unbeswussten, wohin die Reise geht und dass wir getragen und geborgen sind. Im Schlaf passiert das Wunder des Loslassens und des Abgebens jeglicher Kontrolle. Wir gleiten hinüber in einen Raum des unermesslichen Vertrauens. Als Kinder konnten wir das alle- warum sollten wir es nun als Erwachsene nicht auch wieder lernen dürfen?

 

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