Die Giraffen, das steht fest, haben eine Wunderzunge. Ich behaupte: Sie auch.
Was die Giraffen mit ihrer Zunge machen können, erfährt man auf dem Blog des WWF. Dort heißt es sinngemäß: „Die Zunge von Giraffen ist kräftig und kann fast einen halben Meter lang werden. Giraffen können sich damit die Augen reiben und sich die Ohren putzen. Sie nutzen sie zum Greifen von Ästen und dem Abstreifen der Blätter. Dabei ist die Zunge so beschaffen, dass Giraffen die Dornen ihrer Lieblingsnahrung – der Akazien – nicht spüren.“
Was wir Menschen mit der Zunge den lieben langen Tag so machen, weiß jeder:
1) Da gibt es zunächst den kulinarischen Bereich mit essen, trinken, schlucken, schmecken. Uns läuft bei leckeren Speisen das Wasser im Mund zusammen – und das sammelt sich auf der Zunge. Und schmeckt das Eis nicht irgendwie um Welten besser, wenn wir es genüsslich schlecken dürfen, anstatt es brav zu löffeln?
2) Dann kommt natürlich das Artikulieren beim Sprechen und Singen an die Reihe. Wir können uns den Mund fusslig reden oder die Zunge beibt uns trocken am Gaumen kleben, wenn wir in einer schwierigen Situation nicht die richtigen Worte finden. Manchmal haben wir nach dem Genuss eines hochprozentigen Weines (siehe Punkt 1) eine schwere oder lockere Zunge. Und wenn wir anspruchsvolle Stücke singen, bleibt es oft nicht aus, dass sich die Zunge anspannt und fest wird.
3) Last, but not least, möchte ich auf das Spektrum zu sprechen kommen, das wir zuweilen selten bedienen, obwohl es der Zunge sehr gut tut. Damit meine ich das gezielte, also bewusste oder intensive Zungentraining. Die angenehmste Form davon ist das ausgiebige Küssen. In Ermangelung eines knuschbereiten Partners (oder falls dessen Zunge bereits ermattet sein sollte), biete ich Ihnen ein kleines Trainingsprogramm an.
Sie fragen Sie jetzt, warum Sie in aller Welt außer Beine, Bauch und Po auch noch die Zunge trainieren sollen? Weil es Ihrer Ausstrahlung gut gut! Eine klare und prickelnde Aussprache macht sie attraktiv. Sie werden als erfrischend und kompetent wahrgenommen und man hört Ihnen gerne zu. Außerdem hängen Knirschen, Pressen, Migräne und Schnarchen oft auch mit einem ungünstigen Zungentonus zusammen. Dazu mehr im nächsten Beitrag.
Machen Sie einfach den folgenden kurzen Test. Wenn Ihre Zunge alle Übungen problemlos erledigt, dann ist sie topfit und Sie brauchen nicht weiter zu trainieren. Ansonsten lohnt es sich, dranzubleiben.
Bitte holen Sie jetzt einen Spiegel – denn die Zunge ist wie das Zwerchfell eine Diva und kann sehr gut schummeln. Daher ist eine visuelle Kontrolle der Übungen unabdingbar.
Wie fit ist Ihre Zunge ? Hier kommt der Zungen TÜV:
1) Öffnen Sie locker Ihren Mund und strecken Sie Ihre Zunge gerade heraus. Die Zungenspitze soll werder nach oben noch nach unten zeigen, sondern eben wie ein Brett sein und spitz zulaufen. Der Kiefer ist entspannt und darf nicht mithelfen. Nun zählen Sie innerlich langsam auf 10. Dann entspannen Sie die Zunge und machen die Übung noch 2 Mal.
2) Legen Sie die linke Hand auf die linke Wange und geben Sie einen leichten Widerstand. An diese Stelle führen Sie nun ihre Zungenspitze und drücken Sie sie kräftig gegen die Wange. Zählen Sie innerlich langsam auf 10 und entspannen Sie die Zunge. Wiederholen Sie den Vorgang 2 Mal. Wie fühlt sich Ihr Mundraum jetzt an? Wiederholen Sie die gesamte Übung mit der rechten Seite.
3) Öffnen Sie leicht den Mund. Kleben Sie den gesamten Zungenkörper an den Gaumen, d.h. an den kuppelförmigen oberen Abschluss Ihres Mundraums. Wenn Sie die Übung richtig ausführen, müssten Sie im Spiegel Ihr Zungenbändchen sehen. Nun zählen Sie innerlich langsam auf 10. Lassen Sie nicht nach mit dem Druck nach oben. Noch 2 Mal weiterüben – dann haben Sie es geschafft!
Bei allen Übungen: Wenn Ihre Zunge diese Position halten kann, ohne zu zittern oder zu wackeln oder sich hinterher erschöpft anzufühlen, haben Sie eine gut trainierte Zunge. Andernfalls: wiederholen Sie das Trainingsprogramm 1 x täglich und Sie sind bald stolzer Besitzer einer Wunderzunge für geschmeidiges Sprechen, Singen, Schlucken und Küssen.
Falls manche von Ihnen obige Übungen zu schnöde finden, lege ich Ihnen ein verliebtes Giraffenpärchen als persönlichen Zungencoach ans Herz. Ich habe mir erlaubt, den Text Giraffenliebe von Frieder Nögge mit einigen Regieanweisungen zu ergänzen.
Viel Spaß und gutes Gelingen dabei wünscht Ihnen Ihre Sigrid Haas.
