„Ihre Stimme ist echt schön“. Das meine ich wirklich so, auch wenn ich Ihre Stimme vielleicht noch gar nicht kenne. Auch dann, wenn Sie definitiv zu den vielen Menschen gehören, die durch das Anhören der eigenen Stimme auf Sprachnachrichten oder dem Anrufbeantworter traumatisiert sind. Denn in den vielen Stunden, in denen ich ganz unterschiedlichen Stimmen berufsbedingt „professionell“ zugehört habe, habe ich eins festgestellt: 98% aller Menschen schätzen ihre Stimme weniger schön ein, als sie tatsächlich ist. Das war auch der Grund dafür, dass ich Anfang letzen Jahres meine Aktion „Raum für Wertschätzung„ gestartet habe.
Für dieses negative stimmliche Selbstbild gibt es mindestens zwei logische Gründe:
ERSTENS:
Es ist einfach so, dass Sie sich anders hören als der Rest der Welt. Stimmlich gesehen wohnen Sie sozusagen auf „Ihrer Insel“mit Ihrer eigenen Klanglandschaft. Das liegt daran, dass Sie sich über zwei Leitungen wahrnehmen, die anderen aber nur über eine. Sie hören sich über die Luftleitung und die Knochenleitung.
1) Die Luftleitung
funktioniert so, wie Sie es vielleicht im Bio-Unterricht gelernt haben. Wenn wir singen oder sprechen, entstehen Schallwellen. Die Schallwellen kommen am Außenohr als akustische Signale an und werden dann bis zu 20-fach verstärkt und in Nervenimpulse umgewandelt. Diese werden an unser Hörzentrum weitergeleitet, dass dann Rückschlüsse ziehen kann: Ah, das ist die Stimme meiner Freundin und das ist ein Musikstück von Bach…
2) Die Knochenleitung
Frei nach dem Motto „let’s swing“ versetzen die bereits erwähnten Schallwellen auch die knöchernen Strukturen in unserem Körper in Schwingung: Wirbelsäule, Brustkorb, Schädelknochen. Über diese Knochenleitung gelangt der Schall direkt ans Innenohr. Wie die Knochenleitung „solo“ klingt, können Sie ausprobieren, indem Sie sich die Ohren zuhalten und dann etwas sagen oder summen. Das hört sich ein bisschen an wie unter Wasser. Dabei ist der Klang resonanzereicher und lauter als gewohnt hörbar. Im Regelfall können Sie die Klangvibrationen deutlich zwischen Ihren Händen spüren. Good vibrations! So einfach geht das.
Wenn Sie sich also auf Ihrer Sprachnachricht unterirdisch anders wahrnehmen als sonst, kann es damit zu tun haben, dass die Aufnahme Ihren Klang eben nur über die Luftleitung registriert. Das ist aber noch nicht alles. Hier wären wir bei…
ZWEITENS:
Außer wenn Sie sich in einem professionellen Aufnahmestudio befinden, wird sich Ihre Stimme auf einem Aufnahmegerät immer farbloser und flacher anhören als in echt. Bei der Aufnahme wird all das, was Ihre Stimme einzigartig und lebendig macht, nämlich die Obertöne, in digitale Folgen von 00110100 usw. verwandelt. Der Unterschied ist ungefähr so wie der zwischen einer echten Rose und einer Plastikrose. Ja, es ist eine Rose, das sieht jeder. Aber wenn wir Schönheit suchen, Farbe, Duft, ein samtiges Blütenblatt – dann finden wir es nur in der echten Rose.
Seien Sie daher frohen Mutes. Ihre Stimme ist schöner, als sie es ihr zutrauen. Die Aufnahme gibt nur einen Abglanz dessen wieder, was Ihre Stimme als lebendiges Ganzes ist. Trotzdem rate ich Ihnen, Stimmaufnahmen immer wieder zu Trainingszwecken zu verwenden und so auch Ihr eigenes Hören zu schulen.
Wenn Sie wissen möchten, wie Ihre Stimme tatsächlich auf andere wirkt, brauchen Sie ein Gegenüber, das Ihnen eine qualifizierte Rückmeldung über die Klangfarbe, Tragfähigkeit, Größe und Flexibilität Ihrer Stimme gibt. Die oft gut gemeinten Rat-schläge vom Partner, Kollegen oder Freunden helfen dabei selten weiter. Nur weil wir alle eine Stimme haben, heißt noch lange nicht, dass wir uns damit auskennen. Vertrauen Sie Ihre Stimme jemanden an, der vom Fach ist. Das sind Stimmtherapeuten, Stimmtrainer und Gesangspädagogen. Haben Sie Interesse? Für mich gibt es nichts Wertvolleres, als Sie bei Ihrer stimmlichen und persönlichen Entfaltung zu begleiten.
Welches Ihr persönliches Stimm-Mantra ist und wie entscheidend sein Klang in Ihrem Leben wirkt, das erfahren Sie in diesem Beitrag.